500 Jahre Pfarrstelle Riet

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Die Pfarrstelle Riet feierte 1987 ihr 500-jähriges Bestehen. Wir zitieren hier aus der Festschrift zu dieser Feier.
Als Quelle der Festschrift dienten die »Kirchengeschichtlichen Blätter« von 1920, in denen der damalige Pfarrer Gonser das Schicksal seiner Pfarrei beschrieben hat.

Alte Aufnahme der Stephanuskirche

Begrüßung

Liebe Rieter!

Fünfhundert Jahre sind eine lange Zeit. Für einen Menschen ist es geradezu unmöglich, diese Zeit zu überblicken. Vor fünfhundert Jahren kam der erste Pfarrer nach Riet, man muß sich bewusst machen, dass dieser selbstverständlich ein katholischer Priester war, die Reformation wurde erst beinahe fünfzig Jahre später eingeführt.

Seitdem hat die Pfarrei eine recht wechselhafte Geschichte erfahren, wie die Geschichte des Christentums überhaupt ja durch mancherlei Zeiten führte. Fast 1500 Jahre Kirchengeschichte liegen noch vor dieser Zeit, die wir bei unserem Jubiläum bedenken. Daran merken wir, wie wir als Rieter Kirchengemeinde eingebunden sind, ein Glied in einer langen Kette der Kirche Jesu Christi, die in der Nachfolge ihres Herrn durch die Zeiten schreitet immer im Ungewissen was die weitere Geschichte bringen wird, aber gewiß, dass ihr Ziel die Vollendung des Reiches Gottes nach der Verheißung unseres Herrn sein wird.

Als derzeitiger Verwalter der Pfarrstelle Riet wünsche ich uns allen einen wohlgesegneten Festtag.

Ihr Pfarrverweser Hanns Günther

 

Lustige Anekdoten

Pfarrer Richter

In Riet war früher Pfarrer Richter
der hatte einen weißen Spitzer.
Da war auch der Knabe Fritz,
der band eine leere Büchs
hinten – an den Schwanz vom Spitz.
Die Büchs am Schwanz
die Straße entlang
so Spitz in Eberdingen mit ankam.

Zu Aushilf kam mal Pfarrer Roller
der kriegte beinah einen Koller.
Als der Unterricht zu Ende war,
wollte er schnell nach Hause fahrn.
Aber, welch ein Schreck o je, o je
sein Motorrad hing in der Höh.
Und wem der alte Lindenbaum ist noch bekannt
dort oben der Pfarrer sein Motorrad fand.

Es war ein kalter Wintertag,
auf allen Wegen tiefer Schnee lag.
Da schwänzten wir in Eberdingen
den Konfirmanden-Unterricht,
aber hernach brach über uns herein das Gericht.
Als Pfarrer Rohrer zur nächsten Unterrichtsstunde kam nach Riet,
brachte er den Stecken mit.
Teilte Tatzen aus mal rechts mal links,
wir waren schockiert.
Und es war doch der Winter daran schuld,
er war 1936 recht mies.

Wie war das früher noch so streng,
als Buben und Mädchen saßen getrennt.
Doch waren mal die Buben nicht alle zugegen,
wurden sie von den Mädchen vertreten.
Es war vor vielen, vielen Jahren,
als es im Glockenstuhl noch kein Elektrisch gab,
mussten wir jeden Sonntag
zum Gottesdienst die Glocken läuten.
Wie krächzten da die Balken oben
als wir unten am Seil zogen.
Und bimbam zehn Minuten lang
der Glockenklang.
Und zum Schluß für uns die allergrößte Freud
das bambeln und hochziehen lassen mit dem Seil.

 

Stephanuskirche Riet – Schicksal einer Pfarrei

Anno 1396

Der erste Schritt zur damals noch katholischen kirchlichen Versorgung von Riet dürfte mit der am 7. April 1396 von Kunz Kunmann von Riet und seiner Hausfrau Adelheid in der Kapelle von Riet, geweiht zu St. Stephans Ehren, getan worden sein.

Die Pfründe (Anm.: Pfründe ist eine vom Staat zu zahlende Beihilfe im katholischen Kirchenrecht) wurde ausgestattet mit 2 1/4 Morgen Wiesen, 1 Morgen Ackers, verschiedenen Halden, 100 Simri Roggen nach den 3 Zelgen, 6 Simri Haber, 14 Zinshühnern, 58 Schilling Heller, 4 Mannsfrohnen, dazu mit Wein teils in bestimmtem Maß als jährliche feste Gölt, teils als Dritteil oder Vierteil des jeweiligen Ertrags bestimmter Weinberge. Auch sollten die Bauern zu Riet den Pfründner behausen mit einer ehrbaren Behausung, »da ein Priester mit Ehren wohl inne sitzen und wohnen mag«. Dem Pfründner wird lediglich die Pflicht auferlegt, alle Wochen zwei oder drei Messen zu sprechen und am Sonntag das Weihwasser zu segnen.

In den vier Festzeiten soll in Riet keine Messe gesprochen werden, es sei denn mit Einwilligung des Pfarrers zu Enzweihingen, woselbst der Pfründner in den Festzeiten beim Amt mit tätig zu sein hat. Die ehrwürdigen geistlichen Herren des deutschen Ordens sollen die Pfründe jeweils leihen einem weltlichen Priester, den dann der Probst zu Allerheiligen in Speier zu bestätigen hat, wie seiner Würdigkeit zugehört. Gesiegelt ist die Urkunde von dem damaligen Deutschordenscomthur zu Hornegg, Dietrich von Berlichingen, und Pfaff Albrecht von Nußdorf, der Stifterin Adelheid Schwestersohn.

Innenansicht der Stephanuskirche

Aus der einstigen Kapelle ist durch vielfache Um- und Anbauten die jetzige Dorfkirche geworden. Vielleicht hat der in den Turm eingewölbte Chor zu der ursprünglichen Kapelle gehört bzw. sie gebildet. Die Tatsache, daß diese St. Stephan geweiht war, legt den Schluß auf hohes Alter des ursprünglichen Baus nahe, dessen Entstehung in fränkische Zeit hinaufreichen dürfte. Dazu würde auch stimmen, daß der Kirchenheilige der Mutterkirche in Enzweihingen St. Martin war und daß Riet schon früh in den Urkunden erscheint, nämlich im »Codex Laureshamensis« hier. In »Villa Reoth« im Enzgau schenkte am 1. November 812 eine Adelheid an das Kloster Lorsch einen Hof, zwei Tagwerke und ein Obstgut. Fast ein Jahrhundert später fanden die Stifter Nachfolger, welche die kirchliche Versorgung von Riet um eine weitere Stufe förderten und aus der Kaplanei eine selbständige Pfarrei machten.

 

1487 - 1492

Der Deutschmeister Endres von Grunbach hat am 30. Mai 1492 eine Urkunde ausgestellt (Anm.: die sich im Staatsarchiv befindet), worin er die unter seinem Vorgänger Reinhard von Neipperg geschehene Stiftung der Pfarrei Riet in aller Form bestätigt und den ursprünglichen Stiftungsbrief wiederholt. Hier ein Auszug:

In Gottes Namen. Amen. - Ich Hans von Reischach und wir Schultheiß, Richter und Gemeinde des Dorfes zu Riet bekennen uns öffentlich mit diesem Brief für uns, unsere Erben und Nachkommen also und tun kund allermänniglich:

Nachdem wir, die Einwohner des jetzt gemeldeten Dorfs Riet, und die Kapelle bei uns daselbst als ein Filiale an und in die Pfarrkirche zu Enzweihingen, Speierer Bistums, als die Mutterkirche bisher gehört haben und alle Sakramente und pfarrlichen Rechte daselbst zu Weihingen zu empfangen schuldig und pflichtig gewesen sind, das dann uns, denen obgedachten von Riet fast schwer und unbequemlich gewesen ist und besonders den neugeborenen Kindlein der Taufe, den Alten und Kranken an Reichung der heiligen Sakramente, dazu ihre Pfarrkirche und pfarrlichen Rechte auf die Sonntage und andere heiligen Tage also über Feld zu suchen, dadurch in vergangenen Zeiten allerlei Säumnis, auch Andacht und Übung göttlicher Dienste an viel Menschen verhindert worden ist - dem allem zuvorzukommen, haben wir vorgenommen, mit Hilfe Gottes und ehrbarer Leute Gott zu Lobe, der Himmelskönigin Maria und allem himmlischen Heer zur Ehre und unser, unser Erben und Nachkommen Seelen zu Trost und ewigem Heil, eine Pfarrkirche aus der gemeldeten Kapelle bei uns zu machen und zu stiften, auch die also zu begaben, daß sie jährlich beiläufig 50 Pfund Heller Württemberger wohl ertragen mag. Und darum als billig ist, den hochwürdigen Herren, Herrn Reinhard von Neipperg, Meister deutschen Ordens in deutschen und welschen Landen, unsern gnädigen Herrn, dazu dem jetzigen Pfarrer zu Weihingen des um Verwilligung und Gönnung angesucht, die uns auch solches gnädiglich und günstlich gegönnt und verwilligt haben, doch mit solchem Unterschied, daß der genannte unser gnädiger Herr der Meister, seine Nachkommen und der Orden solche neu gestiftete Pfarre zu Riet jetzund aufs erste und hinfür zu ewigen Tagen, so oft sie ledig wird, es sei durch Tod, Aufgebung oder sonst, wie das herrührt, verleihen und besetzen sollen und mögen mit einem ihres Ordens oder einem weltlichen Priester, wie ihnen am füglichsten und bequemlichsten ist, ohne Widerrede, Irrung oder Hindernis unser, unserer Erben, unserer Nachkommen und allermänniglichs von unsertwegen.

Und des zu wahrem Urkunde und Zeugnis so habe ich obgenannter Hans von Reischach mein eigen angeboren Insiegel für mich und meine Erben, dazu die Armenleute zu Riet obgedacht, dieweil sie eigens Insiegel nicht haben und von ihrer fleißigen Bitte wegen gehangen an diesen Brief, mich, meine Erben, dazu die Armenleute obgemeldet, ihre Erben und Nachkommen aller obgeschriebenen Dinge damit zu besagen. Und wir, Reinhard von Neipperg, Meister deutschen Ordens in deutschen und welschen Landen bekennen in Kraft dieses Briefs, daß solche Veränderung der Frühmesse oder Kaplanei und Stiftung der neuen Pfarre zu Riet mit unserm Gunst, Willen und Verhängnis, wie oben geschrieben steht, ergangen und geschehen ist, und haben des zu noch mehrerer Urkunde unser Insiegel für uns, unsere Nachkommen und Orden zuvorderst tun hängen an diesen Brief, der gegeben ist auf Montag nach dem heiligen Palmtag, als man zählt von Christi unsers lieben Herrn Geburt Tausend vierhundert und im sieben und achtzigsten Jahr.

Außer dem kirchlichen Sinn des Stifters und der allgemeinen Stiftungsfreudigkeit jener Zeit dürfen wir wohl noch ein besonderes Motiv hinter seiner Stiftung suchen. Als Dienstmann der württembergischen Grafen hatte er als erster seines in Oberschwaben beheimateten und dort weit verzweigten Geschlechts in Riet Fuß gefaßt und in dieser Gegend planmäßig seinen Besitz ausgebreitet. Er hatte die Witwe des Martin Truchseß von Höfingen geheiratet und mit ihr die bedeutenden Eigengüter der Höfinger in Riet erworben. Dazu gehörte neben beträchtlichem Grundbesitz besonders das heute noch stehende Große Schloß in Riet.

 

1525 - 1556

Der erste bekannte Pfarrer von Riet ist Hans Schwarz. Er eröffnet die Reihe auf der in der Sakristei aufgehängten Pfarrertafel, mit dem Zusatz cath., 1525. Diese Jahreszahl seines Amtseintritts wird bestätigt in der Erneuerung der Geistlichen Verwaltung Vaihingen von 1535 (Anm.: die sich im Staatsarchiv befindet), wo es heißt: Die Pfarr zu Riedt besitzt Herr Hans Schwarz, ist belehnt worden von dem Deutschordensmeister als collatore und hat die innegehabt ungefährlich auf 10 Jahr vonnert jetzund.
Das Einkommen der Pfarrei ist dabei angegeben mit 32 Pf. Heller an jährlichen Hellerzinsen, 1 1/2 Morgen eigene Wiesen (Ertrag 5 Pf. Heller), 1 1/2 Malter Roggen, 4 1/2 Malter Landachtroggen oder Haber, 2 1/2 Om Wein, drei Fasnachthennen und acht Sommerhühnern.

Daß Schwarz katholisch war, ist bei einem vom Deutschorden ernannten Pfarrer, vollends unter der damaligen österreichischen Regierung, ebenfalls sicher anzunehmen. Als jedoch Herzog Ulrich die Reformation einführte, wurde Riet um 1535 evangelisch. Hans Haff war vermutlich Nachfolger von Pfarrer Schwarz.

Im Zuge der Reformation ergaben sich mit dem Patronat des katholischen Deutschordens Schwierigkeiten. Deshalb ist die Pfarrei Riet durch einen Vergleich vom 25. März 1553 an Herzog Christoph von Württemberg übergegangen.

In den Jahren ab 1542 ist auf der Tafel in der Sakristei die Reihe der Pfarrer lückenlos zu verfolgen bis 1913. Sie umfasst insgesamt 47 Namen. Zwischen 1542 und 1556 sind vermutlich noch neun weitere Pfarrer mit sehr kurzer Amtsdauer in Riet tätig gewesen.

Nur zweimal ist die Reihe wieder abgerissen:
Am 30. September 1635 starb in Vaihingen, wohin er mit vielen Gemeindegliedern geflohen war, laut dortigen Totenbuchs der Pfarrer von Riet M. Luc. Notter an der Pest. Die Stelle blieb bei den schweren Zeitläuften unbesetzt und wurde 1635-36 von Enzweihingen, 1636-44 von Hochdorf, 1644-60 wieder von Enzweihingen aus versehen, bis 1660 M. Joh. Peter Biber die verwaiste Gemeinde übernahm, die schwer unter dem Krieg gelitten hatte.

1952: Die Glocke der Stephanuskirche

1913 - 1987

Nach Abzug des Pfarrers Gonser von Riet wurde zunächst die Aufhebung der Pfarrstelle in die Wege geleitet. Der lebhafte Widerstand der Gemeinde hat damals die Ausführung des Planes verzögert. Die Gemeinde wurde seelsorgerisch vom Eberdinger Pfarrer mitbetreut.

Die Pfarrstelle von Riet wird ab 1.4.1986 von Pfarrer Günther zunächst als Pfarrverweser verwaltet und ist mit ihm nun wieder mit einem selbständigen Pfarrer besetzt.

 

Die Pfarrhäuser

Das Pfarrhaus, in welches Faber 1695 einzog, nachdem es von den Franzosen übel mitgenommen und dann für ihn wieder hergerichtet worden war, ist nicht mit dem jetzigen identisch. Es stand und steht vielmehr dicht bei der Kirche, an den Bogen gelehnt, der den malerischen Zugang zum Kirchplatz überspannt, und ist längst zum Bauernhaus geworden. Noch verrät es sein Alter und seine bessere Vergangenheit durch etliche schöne eichengeschnitzte Fensterfüllungen im oberen Stockwerk und vor Jahren zeigte es deren noch mehr in einem jetzt abgetragenen, über das erste vorspringenden Stockwerk.

Frühere Ansicht der Gasse zur Kirche

Der Grund und Boden, worauf es steht, mag früher noch zum Kirchhof gehört haben, wenigstens kam vor einigen Jahren in einer Wand des in den Tuffstein eingeschnittenen Kellers ein menschliches Skelett zum Vorschein. Schon die unmittelbare Nähe der Kirche macht es wahrscheinlich, daß hier das Pfarrhaus von Anfang an gestanden hat.

1787 war der Zustand des alten Pfarrhauses derart, daß eine Hauptreparatur desselben unumgänglich gewesen wäre. Statt dessen verkaufte es der Herzogliche Kirchenrat um 750 fl. an einen Rieter Bürger, erwarb von dem Baron Christian Friedrich Gremp von Freudenstein dessen »Schlößlein« zu Riet samt dabei befindlichem 2 Morgen großen Gras- und Baumgarten und bestimmte dieses zum Pfarrhaus. Als solches diente es genau 100 Jahre, bis 1887; es stand an der Stelle des jetzigen neuen Pfarrhauses, war ein alter Edelsitz und hatte eine bewegte Geschichte hinter sich.

Seine ältesten Besitzer, welche sicher nachzuweisen sind, waren die Bombaste von Hohenheim. Daß diese zum Teil auch selbst hier gewohnt haben, beweist außer den Urkunden noch ein Grabstein, welcher bei der Kirchenerneuerung im Jahre 1909 aufgedeckt wurde. Er zeigt das vollständige Wappen dieses Geschlechts und galt dem Hans von Hohenheim, genannt Bombast, der vor 1456 gestorben sein muß, und seinem Sohn Trutwin, der ihm nicht lange nachher im Tod gefolgt sein wird. Hans Bombast von Hohenheim war einer der unmittelbaren Vorfahren des berühmten Naturforschers und Arztes Theophrastus Bombastus Paracelsus.

Jedoch die adeligen Geister quartierten aus - ohne auch nur das herkömmliche Gespenst zurückzulassen - das geistliche Rüchlein zog in den Räumen ein. Allerlei Pfarrherrn segensreichen und unglücklichen Andenkens haben drin gewaltet und manchen hat es lange in dem freundlichen Ort gefallen; Pfarrfrauen entfalteten ihre stille Tätigkeit, wo Edeldamen prachtierten oder hungerten, muntere Pfarrkinder haben sich getummelt, wo einst die Junker und adeligen Fräulein über die Schwelle schritten.

1887 wurde das Wohnhaus wegen unausrottbarer Feuchtigkeit abgebrochen und an seiner Stelle das kleinere, freundliche jetzige Pfarrhaus erbaut, wobei der alte Keller beibehalten wurde. Die Nebengebäude verschwanden allesamt und machten dem neu angelegten jetzigen Pfarrgarten Platz. In seiner freien schönen Lage, den munteren Strudelbach zur Seite, vor sich den kastanienbeschatteten Hof und den weiten Platz mit der 200-jährigen Dorflinde, hinter sich den Ausblick in das stille grüne Tal und zu den rebenbewachsenen Hängen, gegenüber das altertümliche Schloß mit seinen vier Rundtürmen, stellt nun das Ganze einen äußerst anmutigen wohnlichen Sitz dar. Mancherlei Schicksale haben sich auf ihm schon erfüllt.

Was wohl sein eigenes künftiges Schicksal sein wird?